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Ortsnamen und deren Deutungen in historischen Publikationen:

Ist unsere heimatgeschichtliche Entwicklung wirklich nur auf die Germanen und Slawen begründet?
Ich habe mich in den letzten Jahren gezielt mit Ortschroniken, Familienchroniken oder Territorialbeschreibungen befasst. Dabei fällt mir mehr und mehr auf, dass viele Angaben und Aussagen seit Jahrhunderten einfach von verdienstvollen Altchronisten übernommen wurden oder oftmals unüberprüft abgeschrieben werden. Es mangelt an gesellschaftlichen Initiatoren, vielleicht auch an finanziellen Mitteln und deren Bereitstellungen für fundierte Neubewertungen oder Hinterfragungen. Vieles läuft auf privater, hobbybezogener Basis. Teils zwar von Vereinen getragen, doch sind auch diese mit dem zeitaufwendigen und finanziellen Kraftakt der Archivforschungen oft überfordert. Es gibt hervorragende Arbeiten in den letzten Jahren, auch in unserer Umgebung. Doch zeigt sich durchgehend, dass zum Beispiel bei den Aussagen zur Besiedlung unseres ehemaligen Orlagaues (nicht gleich bedeutend mit unserem heutigen Territorialbegriff „Orlasenke“), immer gleiche wiederkehrende Satz- und Aussageformulierungen verwendet werden. Das, was fleißige bekannt gewordene Chronisten des 18. u. 19. Jahrhunderts erforscht haben, gilt noch immer. Obwohl die Entwicklungen und die Erkenntnisse durch Ausgrabungen unterstützt fortgeschritten sind. Hier spielt der Persönlichkeitsstatus der Personen wohl eine Rolle.
Was Knup 1745, Stemmler 1750, Kronfeld 1878, Lehfeldt 1897, Kretschmer 1934, Barthel ca. 1900 und viele andere verdienstvolle, berühmte Chronisten festschrieben, wird oftmals immer wieder nur weiter getragen.
Ich befasse mich zurzeit u.a. mit der Kelten -Vergangenheit. Angeregt durch einen Vortrag von Herrn Dipl.-Ing. Gerhard Joachim Richter, Dozent a.D. aus Leipzig, den er in Gera gehalten hat. In seinem 2002 veröffentlichten Buch „Keltische Wurzeln in europäischen Sprachen“ spricht er ebenfalls diese Problematik an und fordert provozierend dazu auf, über den Germanen- und Slawenrand hinaus zu blicken. Unsere üblichen Geschichtsdarstellungen um 1000 Jahre und mehr zurückzusetzen. Herr G. J. Richter „beweist“ anhand von Namensforschungen, sogenannten Toponymen (Orts-, Gelände-, Fluss-, Berg-, Tal-, Bewuchsnamen), dass eine Keltenbesiedlung weit vor dem Christentum bis zum Nord- und Ostseeraum stattgefunden hatte. Als die Deutschen, die Slawen und andere Völkerschaften ihre heutigen Lebensräume besiedelten, fanden sie keltische Orts- und Geländenamen vor.
Zitat G. J. Richter, S. 201:
„In den Berührungsflächen mit den „klassischen“, d.h. bisher definierten Keltengebieten südlich der Mittelgebirge, ganz besonders aber im heutigen Thüringen, kann ein Spracherbe gezeigt werden, das dem jüngsten Keltisch, dem Bretonisch sehr nahe steht. Leider wird diese Tatsache in Werken zur Geschichte der deutschen Sprache bisher höchst stiefmütterlich behandelt. Es kann gezeigt werden, dass das Land zwischen Elbe und Saale nicht, wie Slawisten behaupten, von slawischen Einwanderern „urbar gemacht“ wurde, sondern lediglich überwandert wurde.“
Eines ist uns real denkenden Zeitgenossen doch bewusst, auch die Kelten waren denkende, sprechende, intelligente Menschen ihrer Epoche, die nicht als lebende Individuen in Erdlöchern gehockt haben. Denken wir dabei auch an die vorgeschichtlichen Errungenschaften außereuropäischer Völker und an deren Wissen und ihre Fertigkeiten. Leider haben uns die Kelten keine Schriften hinterlassen. Doch bekannt ist ihr ausgedehnter Handel mit allen Völkern des antiken Europa, ihr entwickelter Bergbau nach Salz, Eisen und Gold in Gallien und Britannien. Sie prägten weit vor Christi Geburt Goldmünzen und erzeugten begehrten Damaszenerstahl. Diese und andere Fähigkeiten und Vermögen ihrer Intelligenz, ihren technischen Fertigkeiten, ihrer Kunst und Religion, weckten natürlich die Begehrlichkeiten anderer Völker, vor allem der Römer. In den neuen Büchern „Geschichte in Daten“ für Thüringen und Sachsen, Ausgabe 2003, wurde ebenfalls wieder nur die Germanen- und Slawenbesiedlung näher dokumentiert. Hängt das mit dem deutschen Germanenkult der vergangenen 100 Jahre zusammen?
„Intensive wissenschaftliche Sprachforschung vermisse ich auffälligerweise!“, schreibt Herr G. J. Richter. Damit wäre es möglich zu hinterfragen, ob dieser oder jener Orts- oder Landschaftsname wirklich von dem jetzt bestimmten Volksstamm geprägt wurde, wie z.B.:
Pöllnitz: alt: Polnicz = slawisch Polnica = Feld/Acker.
Triptis
: Herr G. J. Richter sieht mit Sicherheit die Wurzeln im Keltischen. trip - trep - aus treabh (spricht sich tref) = Ort der Landleute (Ort als Platz)
Pößneck: beuz + nech (kymrisch/bretonisch) = Birkenhügel
Frießnitz: freezen = Walderdbeerenflecken

Diese Wiedergaben sind eine von mir sehr vereinfachte Form. Herr G. J. Richter geht wesentlich detaillierter in die Sprachdeutung ein. Es soll jedoch Anregung sein für ein Nachdenken über festgelegte Riten, für das Öffnen zu weiteren Ursprungsquellen.
Wolfgang Schuster, Triptis/Oberpöllnitz 4/2004