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Brauchtum im alten Dorf Oberpöllnitz

Osterwasser holen
Bis ca. 1960 war es Brauch, dass Jungfrauen an der Rodaquelle das Osterwasser holten. Wenn sich die Mädchen vor Sonnenaufgang damit waschen, bleiben sie jung und schön bzw. werden sie noch hübscher.
Also gingen die Jungfrauen vor Sonnenaufgang zur Quelle, schöpften das klare, reine Quellwasser in ihre Krüge und trugen es nach Hause. Doch gab es eine Bedingung für diesen Zauber. Die Mädchen durften während der ganzen Zeit kein Wort sprechen. Erst nach dem Waschen und das noch vor Sonnenaufgang, war es wieder gestattet zu reden. Grund genug natürlich für die bösen Buben, den Mädchen aufzulauern und mit ihnen Schabernack zu treiben.
1955 u. 1956 haben meine Schwester Ulla Schuster und Luise Mayland, Tochter des Pfarrers Mayland, diesen Brauch noch getätig.
Hexenfeuer zur Walpurgisnacht
Bis vor dem 1. Weltkrieg (1914-1918) wurde in der Walpurgisnacht (30.4.-1.5.) auf der Anhöhe des "Galgenberges" oberhalb von Steinpöllnitz, ein Feuer geschürt. Dazu war es Brauch, dass um das Feuer noch Besen angebrannt wurden und auch ein Besen auf dem Reisighaufen aufgesteckt wurde. Weiterhin wurden lange, junge Fichtenstämme in die Erde eingegraben und die jungen Burschen klatschten mit Peitschen an die Stangen und dazu wurden Böller gezündet. Sie veranstalteten das „Hexenausklatschen“, um die Hexen am Ritt zu ihren Zusammenkünften zu hindern. Da die Hexen vom höchsten Berg in Dorfnähe starten, wurde demzufolge auch das Feuer dort entfacht. Aber ich denke, man hat das auch deshalb so praktiziert, um den Nachbarorten zu zeigen, welches Feuer am längsten brennt. Später und bis 1995 wurden die Feuer oberhalb der „Ziegelhütte“ auf dem Kalkberg abgebrannt. Die jetzige Brandstelle nordöstlich des Dorfes in einer Talsenke ist in diesem Sinne leider ungeeignet und entspricht nicht dem traditionellen Anliegen.
Hochzeit
Die Hochzeit durfte nicht am Freitag und nur bei zunehmendem Mond gefeiert werden. In den Bauernhäusern wurde noch streng daran festgehalten. Der Rückweg von der Kirche musste ein anderer Weg sein als der Hinweg. Es wird am Vorabend der Hochzeit noch gepoltert. Der Aberglaube spielt dabei aber wohl kaum noch eine Rolle. Die Kinder tun es des Kuchens wegen, den sie bekommen und die Erwachsenen werden ihre Scherben los. Das Brautpaar bzw. die Hochzeitskutsche wurde nach der Trauung beim Verlassen des Kirchgeländes aufgehalten und der Bräutigam musste eine Gabe spendieren. Es wurden Geld- u. Kuchenstücke ausgeworfen.
Obstgarten
In früheren Jahren wurden die Stämme der Obstbäume in der Neujahrsnacht mit einem Strohkranz versehen, damit sie reiche Frucht bringen sollten.
Hausschlachten
Das Hausschlachten war auf dem bäuerlichen Hof in alter Zeit immer ein gern gesehener Höhepunkt, bei dem sich auch oft Freunde und Verwandte der Familie einfanden. Zum einen um zu helfen, zum anderen aber auch um Spaß zu haben und dem Tratsch zu frönen. Auch in unserem Dorf gab es dazu noch folgenden Brauch, wie von Frau Henny Geßner aus Mittelpöllnitz geschildert. Nichte der letzten Rittergutspächterfrau, Frau Abicht.
"Im Schloss wohnte auch das Zimmermädchen Frau Minna Greiling mit Tochter Herda. Frau Greiling war eine lebenslustige Frau und oft zu Scherzen bereit. Sie verfolgte den Brauch, wenn jemand Schlachtfest hatte, zog sie sich lustig an und ging am Abend zu den Leuten mit dem Spruch:
Ich hob gehärt, ihr hobt geschlacht, hobt aus der Sa gruß und kleene Würscht gemacht. De Grußen gabt dr mir, die Kleenen behaltr ihr."
Wolfgang Schuster, Triptis/Oberpöllnitz 4/05 - akt. 1/2006
Weitere Hinweise zu ehemaligem Brauchtum im Ort nehme ich gerne entgegen.

Seit dem Mittelalter Recht und Pflicht!

Flurumgang (Siehe auch nachfolgenden Absatz zu diesem Brauch!)
Mit der Einführung der neuen Dorfordnungen nach 1850 wurde der Flurumgang laut Vorgabe der Landesregierung und ihrer Ämter zwischen Walpurgis (1.05.) und Johannis (24.06.) angeordnet. Bis 1922 fanden alle 5 Jahre Flurbegehungen statt. Die Entstehung dieser Umzüge hat ihren Ursprung bei unseren germanischen Vorfahren. Die Herausbildung der Dorffluren zog die Notwendigkeit nach sich, deren Grenzen zu markieren. Wahrscheinlich hat der gemeinsame Flurgang, vom Kind bis Kreis, einst einen Teil der Maifeier gebildet, wenn die Gemeinde auszog und Gott um Segen für die Flur und um Schutz vor Unwetter anflehte und die ganze Feier mit einem festlichen Mahle beschloss. Hauptgrund war aber auch die Kontrolle der Ortsgrenzen, die Kontrolle der Einhaltung der Grundstücksgrenzen und die damit verbundene Möglichkeit, öffentlich über Grenzstreitigkeiten zu debattieren. Die Jugend musste sich an den Umzügen beteiligen, um die Flur-, Feld- und Besitzergrenzen kennenzulernen. Grenzsteine durften nur von den drei Feldgeschworenen gesetzt bzw. verändert werden. Diese Herren oder der Grundstücksbesitzer brachten unter dem Stein ein geheimes, persönliches Zeichen ein.

Flurbegehungen - auch ein früherer Brauch in Oberpöllnitz!
Die Ortsgrenzen und Flureinteilungen sind altehrwürdige Übernahmen, die sich aus dem Mittelalter fast unverändert bis heute erhalten haben. Mit dem alten Wegenetz sind sie die einzigen sichtbaren Zeugen aus der Zeit der deutschen Kolonisation die fast unverändert bis in unsere Zeit gekommen sind. Als das Gebiet östlich der Saale und Elbe mit deutschen Bauern besiedelt wurde, erhielt jedes neue Dorf seine Ortsmark zugemessen. Innerhalb dieser festgelegten Grenzen wurde die Mark in Flure unterteilt und diese wiederum in Äcker und Wiesen und den Bauern zur Bewirtschaftung übergeben. Die Oberpöllnitzer Mark ist in 6 Flure eingeteilt. In den alten deutschen Dorfgemeinschaften gab es verschiedene Bräuche hinsichtlich des Rechtsgebrauchs über Mark, Flur, Gemeine und Grenzsteine. Innerhalb solch einer Dorfschaft war der Grund und Boden in der Hand der freien Grundbesitzer, die entweder im Dorf zusammen oder in Einzelhöfen wohnten. Außer diesem festen Eigenbesitz, bestehend aus Haus und Hof, Obstgärten, darum liegenden Wiesen und ihrem Ackerland, hatten sie noch einen gemeinsamen Besitz, die Gemeine und die allgemeine Flurmark, bestehend aus Wald, Gewässer, brachliegende Wiesen, Viehtriften u.a.m. Die freien Grundeigentümer bildeten innerhalb einer Mark eine sogenannte Genossenschaft oder auch Nachbarschaft. Diese Nachbarn besaßen für die Grenzangelegenheiten eine Gerichtsbarkeit, sogenannte Feldgerichte, die sich mit Grenzstreitigkeiten und Felddiebereien befassten. Vertrauenswerte Personen wurden eigens dazu als Feldgeschworene von der Nachbarschaft berufen und vereidigt. Um sich von diesen Wissenden über die Richtigkeit des Grenzverlaufes und deren Zeichen zu überzeugen, hielt man in gewissen Zeiträumen, meist alle 5 Jahre, Grenzbegehungen ab, die man heute noch als Umgang, Markengang oder Flurumritt in verschiedenen Gegenden kennt. Grenzbegehungen konnten aber auch aus Anlass von Grundstücksübertragungen sowie bei Grenzstreitigkeiten ausgeführt werden. Der normale Umgang erfolgte vor allem aber auch deshalb, weil es für nötig gehalten wurde, den Lebenden den Verlauf der Grenze ihrer Mark oder Flur besonders fest ins Gedächtnis einzuprägen. Meist waren diese Flurbegehungen mit kirchlichen Zeremonien verbunden. Flurumgänge waren Pflichtveranstaltungen für die Grundbesitzer.
Das Setzen von neuen Grenzsteinen war ebenfalls mehr oder weniger mit feierlichen Handlungen verbunden. Die Feldgeschworenen versahen die Steine mit geheimen Zeichen oder Unterlagen und oftmals segnete oder besprengte der Pfarrer mit Weihwasser diesen neuen Stein. Bei solchen Neusetzungen und auch bei den Umgängen spielten die Bräuche zur Erhaltung des Andenkens an die Grenze und ihre Richtigkeit eine große Rolle. Vor allem war die Mitnahme der Jugend von großer Bedeutung, denn sie ist es ja, die die festen Marken im Gedächtnis bewahren und auf die späteren Generationen vermitteln soll. Meist waren sie sogar die Hauptpersonen bei diesen Handlungen und die Älteren erzählten ihnen allerlei Geschichten oder Sagen von früheren Begebenheiten. Sehr gerne wurde erzählt über Grenzstreitigkeiten, Grenzfrevel, Grenzstein-Verrücken oder Bestrafungen. Vergehen, die in der Vergangenheit oft sehr hart geahndet wurden.
An den besonders strittigen Flurpunkten oder viel umstrittenen Stellen wurden immer wieder die Rechtsverhältnisse klar gemacht. Man machte dort besonders Halt und stärkte den Anwesenden das Gedächtnis durch eine ernste Handlung oder aber auch durch scherzhafte Einlagen. Oft beschenkte der Gemeindevorsteher (Bürgermeister) oder ein Feldgeschworener die Jugend mit Süßigkeiten oder man aß Kuchen oder man veranstaltete allerlei Spiele. Schießen, Trommeln, Pfeifen, Wettlaufen, Singen, also viel Lärm beim Flurumgang, war überall und zu allen Zeiten üblich und bezweckte die Vertreibung der bösen Geister und schädlichen Dämonen, die der Flur Schaden bringen könnten. Oft war es auch üblich, die Nachbargemeinde zu einem Fest der Grenzsteine und Grenzen einzuladen. Das waren in der Regel fröhliche Feste. Man beging die gemeinsame Grenze und bezeugte durch ein gemeinsames Mahl und Singen die friedliche Grenzgemeinschaft.
Der letzte mir bekannte Flurumgang in Oberpöllnitz fand 1922 statt.
Wolfgang Schuster, Triptis/Oberpöllnitz 6/2008

Das Bärentreiben oder Bärenführen
Ein ehemaliger alter Brauch auch in Oberpöllnitz. Letztmalig 1954 und 1955 im Dorf durchgeführt, so erinnerte sich 2011 Herr Lothar Pichler (82 Jahre) und erzählte mir, dass er den Bär dargestellt hatte.
Das Bärentreiben ist ein traditioneller ländlicher Brauch und gehört zu den alten früheren Formen der Faschingsbräuche. Es hat aber auch seine Ursprünge in der Vertreibung der bösen Geister des alten Jahres und zugleich wurde der Winter immer mit dem Bärentreiben vertrieben. Der Umzug durch das Dorf am Dienstag nach dem Rosenmontag diente ursprünglich dem Zweck, der Bevölkerung einen Bären zu präsentieren, mit Hilfe dessen Eigenschaften die bösen Geister von Haus zu Haus ausgetrieben werden konnten, um auf diese Weise das neue Frühjahr mit „reiner Seele” begrüßen zu können.
Beim Bärentreiben führt ein Treiber an einer Kette eine als Bär verkleidete Person durch das Dorf, wodurch die Szene einer Bärenführung nachgestellt wird. Sie ziehen von Haus zu Haus und 2 bis 3 Treibergehilfen sammeln Gaben ein, wie Wurst, Eier, Süßigkeiten, Geld oder Getränke und fordern die Hausfrauen zum Tanz mit dem Bären auf. Der Tanz soll den Hausbewohnern für das ganze Jahr Glück bescheren. Natürlich waren die zwei Aktiven auch darauf aus, derbe Späße zu treiben oder böse Buben zu verhauen. Wir Kinder hatten gehörigen Respekt und achteten darauf, nicht zu sehr in die Nähe des Bären zu kommen. Der Bär schreckte uns Kinder, wenn er mit seinen Tatzen nach uns greifen wollte, der Treiber, indem er uns mit seinem Stecken drohte. Auch auf die Gehilfen musste man achten, denn auch sie fingen gern die Buben ein. Wehe dem, der in des Bären „Fänge“ geriet. Die Begleitmusik beim Bärentreiben waren Teufelsgeigen.
Das Ende des Bärentreibens war der Bärentanz vor dem Gasthaus. Bär und Treiber umarmten sich und tanzten, leicht angetrunken, einen Walzer. In früheren Jahren suchte sich der Bär unter den Zuschauerinnen eine Tanzpartnerin aus. Jedes Bärentreiben endete mit einem abendlichen Tanzvergnügen. Das Bärentreiben wurde früher vom Burschenschaftsverein organisiert und 1954/55 hatten es zuletzt die Männer der Freiwilligen Feuerwehr veranstaltet.
Wolfgang Schuster, Triptis/Oberpöllnitz 1/2011

Bärentreiben am 26.01.1930 in Oberpöllnitz
Das Bild zeigt die "Treibergesellschaft" vom Burschenverein des Ortes. Die Bildaufnahme erfolgte auf der Eisenbahnbrücke von Steinpöllnitz.
Für die Bereitstellung dieser seltenen Aufnahme danke ich Herrn Alexander Schilling aus Oberpöllnitz recht herzlich.